Die Geschichte der Weibel der Rotseezunft Ebikon
Erzählt von Alt-Weibel (welch schreckliches Wort) Joseph Koch.
Erzählt von Alt-Weibel (welch schreckliches Wort) Joseph Koch.
Weibel-Knopf
Seit Urzeiten waren die Weibel der Rotseezunft ein aufgestelltes, wirbliges Völklein, das vor allem die Geselligkeit und eine feucht-fröhliche Atmosphäre liebte. Und so trafen sich die damaligen Weibel des öftern zu einem spontanen Umtrunk in der „Dieriker Sonne“.
Die alt-ehrwürdige Sonne lag damals alleinstehend, mit einer grossen Scheune, direkt an der Kantonsstrasse Ebikon-Root, also ideal, um schnell anzuhalten und einen zu kippen. Dort wirtete das Ehepaar Josef und Lydia Stöckli-Hofstetter. Er ein bekannter Ländler-Musikant (übrigens von 1971- 1981 auch Rotseezünftler), sie eine begnadete Wirtin; was hätte also besser zu den geselligkeitsliebenden Weibel gepasst?
Nicht verwunderlich, dass man dieses Stimmungsbild noch intensiver pflegen wollte und die Idee aufkam, einen Club zu gründen, eben den Weibelclub.
Als Vereinszweck gab man vordergründig an, den Zunftrat im Bedarfsfall bei der Organisation der Inthronisation zu unterstützen, hintergründig jedoch, um der Geselligkeit zu frönen.
Um möglichst zwangfrei zu bleiben, verzichtete man bewusst auf die Ernennung eines Obmanns, auf Statuten oder eine Kasse, legte aber fest, dass der jeweilige amtierende Weibel das Sagen habe. Als äusseres Zeichen der Macht kreierte man einen Weibel-Wimpel, der dann jeweilen an den nachfolgenden Weibel weitergegeben werden musste. Zur Erinnerung an sein Amtsjahr durfte er sich auf dem Sockel der Standarte verewigen. Am 12.3.1971 schritt man in der „Dieriker Sonne“ zur Club Gründung und zur Einweihung der Weibel-Standarte.
Dass dem so war, beweist die von der Wirtin bei der Gründung vorgetragene 42-strophige Schnitzelbank, in der da steht:
Keine Angst
ich zitiere nur die drei weibelclubrelevanten Verse:
Ihr wüssid, was ihr hend beschlosse:
En Zämehang vo allne Gnosse,
Wo d’Fasnacht ned vergässe chönd,
Und au mol öppis springe lönd (wichtig für die Wirtin, Joseph).
Dä neui Klub, wo mier hütt gründe,
Bestod us luuter guete Fründe.
De Zwäck esch dä – är esch au richtig,
Stönd uf dezue! – är esch so wichtig (alle stehen auf)
Wir wollen stets die Freundschaft pflegen.
Und besser unsere Frauen hegen.
Uns treffen bei Gelegenheit;
Auch wenn die Fasnacht noch so weit,
Die Weibel-Stamm-Standarte ehren.
Dazu ein Gläschen Pinot kehren!
Ich danke, chönnid weder hocke.
Hierauf wurde die von Lydia (nun Aregger) und Carlo von Euw gestiftete Standarte dem neugegründeten Weibelclub übergeben und die beiden Spender zur Weibelgotte und zum Weibelgötti ausgerufen.
Die Gründungsfeier wurde mit einem von Lydia gespendeten Kuttelnessen abgeschlossen, während Carlo den Apéro berappte. So waren gleich zwei neue Traditionen geboren: das Kuttelnessen und der Götti-Apero.
Das altehrwürdige, ehemalige Gasthaus Sonne, Dierikon, in dem am 12. März 1971
Altehrwürdig und ehemalig
Es lohnt sich, noch ein Wort über die Baufälligkeit der «Dieriker Sonne» zu verlieren, nur schon aus historischen Gründen.
Wer das Foto von der ehemaligen «Sonne» genau betrachtet, stellt von blossem Auge fest, dass das Gebäude und die angrenzende Scheune offensichtlich baufällig waren.
Dies manifestierte sich auch auf eindrückliche Art und Weise, bei der Gründungsfeier, als sich die Weibel im Säli im 1. Stock versammelt hatten und die Rotsee-Husaren dem neugegründeten Club ihre Aufwartung machten. Durch die Vibration der Musikinstrumente stürzte plötzlich ein Teil der Gipsdecke ein, Gott sei Dank, ohne jemanden verletzt zu haben.
Abenteuerliche Erlebnisse sind also die steten Begleiter des Weibelclubs seit seiner Gründung.
Die vergessenen Weibelinnen
Bereits bei der Gründung der „Weibel-Mafia“, wie der Weibel- Club auch gerne genannt wurde, war die Weibelgotte von Stöckli Josef geschieden und mit Aregger Franz verheiratet.
Schon bald zog Lydia von Dierikon nach Luzern und wirtete fortan im Restaurant „Widder“ an der Zürichstrasse. Ganz klar, dass auch das Kuttelnessen nach dem „Widder“ verlegt worden war. Lydia’s Aufenthalt in Luzern dauerte jedoch nicht allzu lange und sie wechselte ins Restaurant „Schlüssel“ nach Ennetbürgen und mit ihr selbstredend auch das Kuttelnessen. Es mag in jener Zeit gewesen sein, als die Köpfe der Weibel hellerleuchtet wurden und sie einsahen, dass die Weibelinnen wunderbare Wesen waren und sehr gut zu den feinen Kutteln passen würden. Seither wurden auch sie zum Kuttelnschmaus eingeladen und trugen mit ihrem Charme viel zum guten Gelingen der Treffen bei.
Da aber Kutteln nicht „jederfraus“ Lieblingsspeise waren, musste darüber sinniert werden, was für eine Zweitspeise in Zukunft noch angeboten werden soll. Neben der Einfachheit war auch ein fasnächtlicher Touch Bedingung. In Anlehnung an das Bärteli-Essen der Safranzunft zu Luzern entschied man sich für ein Luzerner-Kügeli-Pastetli. Erst viel später wurde ein weiterer Gang – diesmal ganz nach dem Geschmack des organisierenden Weibels in den Menüvorschlag aufgenommen.
Weit gefehlt in der Annahme, wir hätten nun in Ennetbürgen einen festen Ort für unsere Kuttelnessen gefunden; Lydia wählte als ihren nächsten Arbeitsort das Restaurant „Bahnhöfli“ in Seelisberg und die Kutteln wurden fortan auf 846 Metern genossen. Abenteuerlich gestalteten sich jeweilen die Fahrten ins winterliche Seelisberg und zurück. Auch die verschärfte Promille-Grenze spielte eine Rolle, Hauptgrund aber war, dass sich die Weibelgotte vom jährlichen Sponsoring des Kuttelnessens zurückziehen wollte. Verständlich, durch die Erweiterung mit den Weibelinnen und dem jährlichen Zuzug eines neuen Weibelpaares war der Weibelclub zu einer ansehnlichen Grösse herangewachsen und das Kuttelnschmatzen zu einer finanziellen Belastung geworden.
Als dann auch noch der Weibelgötti Carlo den Wunsch äusserte, sich von der Apéro-Spende zu entlasten, musste nach einem neuen Konzept Ausschau gehalten werden.
Der Umbruch führte dazu, dass man sich 1986 und 1987 wieder auf die heimatlichen Gefielde besann und als „Kuttelnort“ das Restaurant „Schweizerheim“ in Ebikon wählte. 1988 zog es den Weibel Joosef Kaufmann jedoch nach den „Trumpf-Buur“.
Im Verlaufe der folgenden Jahre kristallisierten sich für unsern Anlass folgende Spielregeln heraus:
Von 1962 bis 1969 waren nur die Frauen der Ratsmitglieder bei der Inthronisation anwesend. Erst der Gesellschaftsvater von 1970, Carlo von Euw bewirkte, dass auch die (Ehe)- Frauen der Zünftler zur Inthronisation geladen wurden. Vermutlich als Gegenmassnahme ordnete der damalige Zunftpräsident, Arthur Wieland, seines Zeichens Lehrer, Offizier, Sektionschef und später Schulinspektor des Kantons Obwalden, an, dass die Weibelinnen in Zukunft eine Tischdekoration für die Inthronisation zu kreieren hätten. Und siehe da, die Weibelinnen gehorchten (!)
Zuerst unter Leitung von Rosmarie Zumsteg, dann unter Annali von Niederhäusern und noch vielen andern Nachfolgerinnen, stellten die Weibelinnen – dem jeweiligen Zunftmeister an- gepasste – Tischdekorationen her. Das Material dafür wurde anfänglich bei Verwandten und Be- kannten zusammengebettelt oder aus eigener Tasche beglichen. Erst später wurde ein Zustupf aus der Zunftkasse ausgeschüttet. Diese Tradition hält sich bis heute und erfreut die Herzen der Inthronisations-Teilnehmer immer wieder aufs Neue.
An dieser Stelle drängt es den Erzähler, allen Weibelinnen für ihre kreativen, phantasievollen und zeitraubenden Kreationen seinen persönlichen Dank auszusprechen. Lassen wir uns auch in Zukunft von ihren künstlerischen Inspirationen überraschen!
Ja, auch das gab’s einmal. Allerdings ist die Geschichte nicht allzu spektakulär. Ich will sie aber trotzdem, der Vollständigkeitshalber, in ein paar wenigen Worten festhalten. Die Urweibel waren damals hauptsächlich zum Aufstellen des Kinderumzuges gefragt. Sie erkannten aber bald, dass sie in dieser Funktion- nur mit dem Fez bekleidet – für die Teilnehmer zuwenig gut erkenntlich waren. In ihrer schon damals vorhandenen Kreativität beschlossen sie, diesen Zustand zu ändern und ein Weibelgwändli zu schaffen.
Vermutlich die Weibelin Nr. 3, Schultheiss Trudi, im Zusammenwirken mit Anna von Niederhäusern, schufen dann 4 Exemplare, die dem Original-Weibelmantel nachgebildet, jedoch in roter Grundfarbe gehalten waren. Leider war dieser Idee kein nachhaltiger (wie man heute so schön sagt) Erfolg beschieden, die Gwändli landeten vermutlich in irgendeinem Keller-Regal. Ich auf jeden Fall habe in meiner langjährigen Zunftzugehörigkeit (seit 1975) nur ein einziges Mal ein solches zu Gesicht bekommen (Umstand nicht mehr bekannt). Diskussionen um ein Zunftgewand rissen aber bis heute nicht mehr ab ( ! ).
Zu meinem Leidwesen konnte ich bis heute weder ein Original-Exemplar noch ein Foto habhaft machen, um meine Ausführungen zu illustrieren. Sollte irgendwo in einer Foto-Schachtel ein solches Foto vorhanden sein, wäre ich daran interessiert. Danke.
Warum es gleichwohl eine Kasse braucht und: Wunder geschehen immer wieder.
Wie eingangs meiner Erzählung erwähnt, verzichteten die Weibel bei der Gründung explizit auf Obmann, Statuten und Kasse. Dies ging anfänglich ganz gut, denn es waren keine grossen Ereignisse zu verzeichnen.
Im Amtsjahr von Kaufmann Joosef, 1988, änderte sich das aber schlagartig, als kurz nach einander zwei Todesfälle zu beklagen waren, mehrere runde Geburtstage anstanden und weit und breit kein Rappen zur Verfügung stand. Klever – wie immer – wusste sich Joosef zu helfen und hauchte einer Weibel-Freud-und-Leidkasse Leben ein.
Dies ermöglichte dann, die betroffenen Weibelkollegen und Kolleginnen mit vielen ausgesuchten Aufmerksamkeiten zu erfreuen.
Nach fast zehnjähriger Tätigkeit konnten Joosef und Erna die Kasse an Doris und Hans Bolliger weitergeben. Auch sie betreuten die Weibelkameraden in freudigen und traurigen Tagen mit viel Hingabe, Engagement und Herzblut. Als sie trotz intensiver Suche auf den 1.1.2006 keine Nachfolger fanden, liebäugelten sie, die Kasse einer wohltätigen Institution zu vermachen.
Und dann geschah das Wunder, ich möchte fast sagen das Weibelwunder: Lisbeth Habermacher und Christine Emmenegger stellten sich als neue Freud-und-Leid-Betreuer- innen zur Verfügung und führen ihr Amt seither mit Leib und Seele aus. Unvergesslich die ausgestrahlte Atmosphäre, die sie bei ihren Besuchen zu erzeugen wissen.
Der zeitliche Aufwand für dieses Amt ist aussergewöhnlich hoch. Darum kommt der Erzähler nicht darum herum, den bisherigen drei Equipen einen ganz speziellen Dank auszusprechen.
Bründler Hans, Wirth Thomas
Nachdem Carlo von Euw als Weibelgötti zurückgetreten war, gab es zwischenzeitlich nochmals einen, genau genommen zwei Weibelpaten, nämlich Hans Bründler und Thomas Wirth.
1998 organisierte der Weibel Ueli Widmer sein Kuttelnessen im Café Rank in Ebikon. Dazu war auch sein Zunftmeister Nägu geladen. Grossherzig – wie immer – spendete Nägu an diesem und den nachfolgenden Kuttelnessen den Apéro und wurde deshalb zum neuen Weibelgötti ausgerufen. Im Jahr 2002 teilten sich Nägu und der amtierende Zunftmeister, Thomas Wirth, die Apéro-Kosten und schlossen so die Ära der Weibelgötti würdig ab.
Koch Joseph, Kurmann Franz, Camenzind Alois
Bis zur Stunde haben drei Zünftler das Amt des Weibels, aus unterschiedlichen Gründen zwar, aber immer mit dem Hauptgedanken, nie einen Zunftmeister ohne Weibel dastehen zu lassen, ausgeführt. Es sind dies Koch Joseph, Kurmann Franz und Camenzind Alois.
Sie wurden nach ihrer zweiten Amtszeit zu Ehrenzünftlern der Rotsee-Zunft ernannt. Ihr Fez schmückt sich deshalb – neben dem Ehrenzünftler- Streifen – mit zwei Weibelknöpfen und einem Silberzöttel.
Genannt sind Zunftmeister und Ort des Kutteln Essen im Weibeljahr